Unverwechselbar

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„Schaut, es ist passiert. Aber nächstes Jahr holen wir uns den Pokal. OK?“

Welche Worte findet man in der dunkelsten Stunde eines Fußballerlebens? Findet man überhaupt welche? Irgendjemand muss sie finden. Die Worte, die die Mannschaft wieder aufrichten. Du brauchst als Trainer viele Spielertypen. Den lustigen Entertainer, den Erfahrenen, einen agressiv leader, den jungen Unbekümmerten und den, der sich immer vor die Mannschaft stellt. Von jedem Spielertyp hat man in der Regel mehr als nur einen. Spielerisch hast du die Wahl aus technisch versierten, torgefährlichen und zweikampfstarken Profis. Jeder Spieler ist irgendeiner Kategorie zuzuordnen. Mancher fühlt sich gar in mehreren wohl.

Und dann gibt es den einen, der ganz anders ist. Unverwechselbar. Einzigartig. Einen, den es so nie mehr wieder geben wird. Der so gut ist, dass man sagen kann: „Müller spielt immer“.
Dieser Müller schafft etwas Besonderes. Fast alle mögen ihn. Bei einem Spieler des FC Bayern ist das wahrlich etwas Erstaunliches. Und dieser Müller ist jemand, den man unbedingt in seiner Mannschaft haben will, spielerisch wie menschlich.
Beim FC Bayern steht er auf einer Stufe mit Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Ohne Müller? Kein Fan kann sich diese Situation vorstellen. „Müller spielt immer“, sagt Louis van Gaal über seinen 19-jährigen Spieler. Er wirft einen unbekümmerten Nachwuchsspieler ins kalte Wasser. Am Ende der Saison ist Thomas Müller 20. Hat das Double gewonnen und stand im Finale der Champions League. Hat 13 Treffer erzielt und 11 vorbereitet. Und steht im Kader für die Weltmeisterschaft in Südafrika. Ein erstes Jahr, das für viele ein absoluter Traum ist. Müller darf diesen Traum leben. Kurz vor der WM testet die DFB-Elf gegen Argentinien. Trainer Diego Maradona weigert sich, mit Thomas Müller zu erscheinen. Die argentinische Legende kennt ihn nämlich nicht. Wenig später lernt Maradona ihn kennen. Deutschland gewinnt mit 4-0 gegen seine Argentinier und die Presse titelt: „Diego, der Junge heißt Müller“.

Müller erlebt in seinem ersten Profijahr mehr, als die meisten Spieler in ihrer ganzen Karriere. Er feiert zwei Titel, lebt den Glanz einer WM und wird von seinen Fans sofort als Publikumsliebling gefeiert. Aber er lernt auch, wie sich bittere Niederlagen anfühlen. Das Champions League Finale verliert er gegen Inter Mailand, in Südafrika siegt Spanien im Halbfinale. Er muss früh lernen, wie man mit Rückschlägen umgeht. Als Shootingstar steht er jetzt im Mittelpunkt und muss von heute auf morgen damit zurechtkommen.
Die Unbekümmertheit, die er auf dem und neben dem Platz zeigt, wird sein Markenzeichen.
Für viele ist Thomas Müller ein Spaßvogel. Einer, der locker mit Problemen umgeht und immer gute Laune hat. Aber kein Führungsspieler.

THomas Müller ist das Aushängeschild des FC Bayern.

Nur wenige Monate nach seinem Debüt steht fest: Bayern ohne Müller? Geht nicht. ©Imago

Die Saison 2011/12 ist erst die dritte für Müller, aber die schwerste. Seine Bayern verlieren alle Titel. Er ist kurz davor, der große Held zu werden. Trifft im Finale der Champions League sieben Minuten vor Schluss. Sein Verein, seine Stadt und seine Fans sind kurz davor, sich unsterblich zu machen. Aber Müller muss später von der Bank aus verfolgen, wie das Spiel verloren geht. München versinkt in einem Tränenmeer, der Klub steht völlig unter Schock. Müller ist am Boden zerstört. Weint mit seinem Verein, den er von Kindheitstagen an so sehr liebt. Weint als Spieler und als Fan. Er ist erst 22, aber er weiß: Es muss weitergehen. Wir müssen aufstehen und es nächstes Jahr besser machen. Es ist Thomas Müller, der seine Mannschaft wieder aufrichtet und allen eine SMS schickt.

Führungspersönlichkeit

Müller weint ein Jahr später wieder. Diesmal steht er auf der Seite der Gewinner. „Nächstes Jahr holen wir uns den Pokal“ hatte er seiner Mannschaft versprochen. Und er behält Recht. Nach den herben Rückschlägen des Vorjahres haben alle an seine Worte geglaubt und waren zusammen wieder aufgestanden.
Mit 23 Jahren ist Thomas Müller nicht mehr einfach nur der lustige Stürmer, der mit den Medien spielt. Mit 23 Jahren ist er bereits zu einem Führungsspieler gereift, dessen Wort Gewicht hat. Ein Führungsspieler, der Verantwortung übernehmen soll, als es im Juni 2014 nach Brasilien geht. Kaum ein Stammspieler ist jünger als er. Trotzdem gehört Müller mit Schweinsteiger, Neuer und Kroos zu den Stellvertretern von Kapitän Philipp Lahm. Die fünf WM-Tore von 2010 wiederholt er, steht am Ende im Finale gegen Argentinien. Diego Maradona weiß diesmal ganz genau, wer er ist.
Mittlerweile ist er 24. Und hat alles gewonnen.

2013 gewinnt Müller alle Titel mit den Bayern.

Tränen des Glücks. Der Titel in der Champions League macht Müller sprachlos. ©Imago

Das, was Müller auf dem Platz ausmacht, zeichnet ihn auch abseits des Rasens aus. Gradlinig, selbstkritisch und trotzdem locker. Ehrgeiz, Disziplin und Spaß am Fußball, das ist Thomas Müller. Und das lernt er sehr früh. Er möchte nicht bei irgendeinem Verein spielen. Er möchte bei seinem FC Bayern spielen. Und das gelingt ihm auch. Mit 10 Jahren kommt er an beim großen FCB. Hier lernt er das, was später so wichtig werden würde. Man erlebt hartes Training, feiert große Siege. Aber man leidet auch. Man verliert und muss lernen, wieder aufzustehen. Er lernt, was es heißt, ein Fußballprofi zu werden. Die Fans erwarten Tore und Siege, die Medien erwarten Präsenz, der Spieler selbst erwartet, er selbst zu bleiben. Müller wächst sehr früh in seinen Traum hinein. Er realisiert gar nicht richtig, dass er auf einmal Profi ist. Bei dem Verein, dem er seit frühster Kindheit die Daumen drückt.

Aushängeschild eines Weltvereins

Er kommt, sieht und trifft. Nach wenigen Jahren kommt es den Bayernfans so vor, als sei er schon immer da. Thomas Müller ist der FC Bayern und der FC Bayern ist Thomas Müller. Eine steile Karriere, Tore am Fließband, Titel über Titel und eine Ausnahmestellung bei den Fans. Aber er kennt auch andere Zeiten. Zeiten, auf die er sich nicht vorbereiten kann. Nicht mehr zu treffen, das kannte Thomas Müller nicht. Kurz vor Weihnachten 2016 erzielt er seinen ersten Saisontreffer. Alle wollen den geplatzten Knoten sehen, doch bis zum nächsten Tor dauert es bis März. Er spielt wie immer, doch vor dem Kasten gelingt ihm einfach nichts mehr. Bälle, die früher vom Pfosten ins Netz sprangen, bleiben jetzt vor der Linie. Schüsse treffen nur noch die Latte, jede kleine Situation scheint gegen ihn zu laufen. Er verzweifelt an seiner Misere. Seine Mitspieler versuchen, ihm die Bälle so gut wie möglich aufzulegen, aber es soll einfach nicht sein. So sehr ihm die Flaute auch zusetzt, so sehr erkennt man, wie wertvoll er abseits der Tore ist. Müller sieht Räume, die sonst niemand erahnt. Er kontrolliert diese Räume und verschiebt das Spiel. Eine Qualität, die in kaum einer Statistik berücksichtigt wird. Triffst du als Stürmer nicht, bist du außer Form. Am Ende der Saison stehen lediglich fünf Tore zu Buche. Über die 14 Assists sprechen nur wenige.

„Müller spielt immer“ werden wir wohl auch bei der WM wieder beobachten. 2010 war er Shootingstar, 2014 Führungsspieler. Und 2018 ist er stellvertretener Kapitän. Er weiß, wie man Titel gewinnt. Weiß, wie man mit Niederlagen umgeht. Weiß, wie es ist, wenn außer dem eigenen Umfeld niemand an einen glaubt, wenn das Glück gerade einmal mehr da ist. Und vor allem weiß er, wie man sich dieses Glück wieder erarbeitet. Ein Stürmer, wie ihn sich jede Nation nur wünschen kann. Als Spieler, Motivator, Entertainer und Ratgeber. Thomas Müller ist kein sehr guter Spieler, er ist ein Weltklassespieler.

Deutschland wird Weltmeister, Thomas Müller erzielt 5 Tore.

13. Juli 2014, Rio de Janeiro. Müller ist am Ziel aller Fußballerträume. ©Imago

Geht seine WM-Serie weiter, sehen wir in Russland wieder fünf Müller-Tore. Jogi Löw jedenfalls weiß, was er an diesem Stürmer hat. Er ist anders als alle anderen. Ob manche Tore geplant waren oder es doch völlig verunglückte Flanken sein sollen? Sind die Laufwege wirklich einstudiert oder sieht es einfach nur kurios aus? Stolpert er gegen Algerien 2014 über den Ball oder war es wirklich ein Freistoßtrick? Man weiß es nicht. Denn Thomas Müller ist unberechenbar, einzigartig, unverwechselbar. Und mittlerweile ist er alles: Der Erfahrene, der Unbekümmerte, der agressiv leader, wenn es mal sein muss, und der, der sich immer vor seine Mannschaft stellt. Er vereint alle Spielertypen und ist doch wieder seine eigene Kategorie.

Fünf Müller-Tore brauchen wir. Einer soll besser sein und Müller damit den Goldenen Schuh wegschnappen. Und dann wird er uns den Müller liefern, den wir alle lieben: „Des interessiert mi ois ned der Scheißdreck! Weltmeister samma, den Pott hamma! Den scheiß goldenen Schua konnst da hinter d’Ohren schmiern!“

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Musterprofi

By Allgemein, Musterprofi, WM-HeldenNo Comments

Es war ein Dreiergespann, das sich jeden Morgen zur Arbeit aufmachte. Vater Hermann war Trainer, die Söhne Mats und Jonas trainierten in ihren Jugendteams. Irgendwann wollten sie alle drei zusammen Erfolge feiern. Nicht nur im gleichen Verein aktiv sein, sondern ein und denselben Titel gewinnen. Mats und Jonas hatten große Pläne. Deutscher Meister, Champions League, vielleicht sogar der WM-Titel? Eines Tages wollten sie zusammen ganz oben stehen. Während einer all diese Ziele erreichte, musste der andere verstehen: Ich werde meine Erfolge außerhalb des Platzes feiern. Während Mats ein Weltstar wird, geht es für Jonas nach schweren Verletzungen mit dem Fußball nicht weiter. Er macht sein Abitur, studiert und bleibt dem Fußball als Experte treu. Die beiden sind stolz auf sich und ihren Werdegang, auch, wenn er unterschiedlicher ist, als er zunächst werden sollte.

Die Geschichte der Brüder Mats und Jonas Hummels ist oft erzählt: Mats gewinnt alle Titel mit Dortmund und Bayern, Jonas spielt in Unterhaching und beendet seine Karriere früh. Eine Diskrepanz, die Mats Hummels nicht immer wieder aus der Schublade holen möchte. Ja, er ist erfolgreicher als der kleine Bruder, aber sportliche Wertschätzung steht nicht ganz oben bei ihm. Erst recht nicht, wenn es um Familie und Freunde geht. Die starke Persönlichkeit, die Hummels geworden ist, hat er vom kleinen Bruder gelernt.
Mats Hummels ist das, was man einen Weltstar nennt. Ausgebildet beim FC Bayern, zum Unverzichtbaren gereift bei Borussia Dortmund. Er verbringt nach dem Familienumzug seine Kindheit und Jugend in München, der FC Bayern ist sein Zuhause. 2007 darf er zum ersten und einzigen Mal für den Rekordmeister auflaufen. Am letzten Spieltag, als die Saison für Bayern bereits gelaufen ist. Nicht der Anspruch des jungen Verteidigers, den es daraufhin nach Dortmund zieht. Weg von Zuhause und weg von Bruder Jonas. Nach Weihnachten 2007 steht der große Umzug an. Anfangs verbringt Mats jeden freien Tag in München, das Heimweh verleugnet er auch Jahre später nicht. Keine leichte Zeit für den damals 19-Jährigen, der auf Grund von Verletzungen nur langsam in Schwung beim BVB kommt. Mit 20 gelingt ihm dann das, wovon er in der Jugend in München immer geträumt hatte: Er wird Stammspieler in der Bundesliga und darf endlich zeigen, was er kann. Neben ihm: Kollege und guter Freund Neven Subotic. An der Seitenlinie: Jürgen Klopp. Kaum angekommen in Dortmund, geht es für den jungen Verteidiger Schlag auf Schlag. Er wird 2011 mit dem BVB sensationell Deutscher Meister, auf einmal ist Hummels im Pott ein Superstar, der überall erkannt und belagert wird. Bruder Jonas freut sich daheim in München riesig über den Erfolg von Mats. Für Mats geht der Traum weiter. Im Jahr 2012 holt er das Double, besiegt seinen Jugendverein Bayern München im Finale mit 5:2. Ein weiterer Höhepunkt lässt nicht lange auf sich warten, Hummels spielt die EM 2012 und verpasst keine Sekunde des Turniers. Mit 24 Jahren ist er einer der beliebtesten und meist umworbenen Bundesligaspieler, sein Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Aber Hummels bleibt in Dortmund, wo er zu einer starken Führungspersönlichkeit reift. Er wird zu einem Spieler, dessen Wort Gewicht hat. Der ausspricht, wenn ihm etwas nicht passt. Der sich klar positioniert und anecken kann. Und der von den Fans für genau diese Dinge geliebt wird.

Spieler. Kapitän. Fanliebling. Vorbild. Hummels beim BVB © Imago

Ein ganz normaler Weltmeister

 

Hummels wird zu einem, der unverzichtbar für das größte sportliche Ziel überhaupt ist. Er soll die Mannschaft zum WM-Titel tragen. Als Anführer, vor dem die Gegenspieler gehörigen Respekt haben. Und Hummels macht das, was von ihm erwartet wird. Bruder Jonas sitzt Zuhause vor dem Fernseher und drückt die Daumen. Mats kämpft in Brasilien vier Wochen lang für den größtmöglichen aller Titel. Läuft, grätscht, verteidigt, köpft zwei Tore und steht letztendlich im Finale. Ein besonderer Tag. Nicht nur für die DFB-Elf und jeden Fußballfan der Welt, sondern erst recht für den Bruder. Für den Bruder, der nach dem Titelgewinn offen sagt: Es war komisch. Komisch zu wissen, wie gut der Ältere geworden war und dass die sportliche Ungleichheit nun ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Doch genau hier zeigt sich der Mensch Mats Hummels. Auf dem Platz strebt er nach Perfektion und ständigen Weiterentwicklung. Hier will er der Beste sein. Hier ist er ein Weltstar. Neben dem Platz ist er nur wenig von diesem Weltstar zu sehen. Er stellt Freunde und Familie über alles andere. Kurz nach dem WM-Titel ist er in Frankreich im Urlaub, als sich Bruder Jonas wiederholt das Kreuzband reißt und weiß: Das war’s. Mats, vor wenigen Tagen noch der glücklichste Mensch der Welt, ist genauso am Boden zerstört, wie Jonas. „Ich würde diesen Titel dafür hergeben, dass er jetzt gesund spielen kann“. Ein Moment von vielen, in dem Mats Hummels merkt: Er ist nicht Zuhause. In München ist er aufgewachsen und vermisst diese Heimat.

Die Rückkehr zur alten Liebe. © Imago

Er fühlt sich wohl in Dortmund, aber irgendwann siegt der Wunsch nach der Heimat. Mit seiner Frau Cathy, die ebenfalls aus München stammt, geht es 2016 zurück zu den Wurzeln. Bei den Fans des BVB kommt das weniger gut an, die Rivalität zum FC Bayern ist einfach zu groß. Aber Hummels stellt sich der Kritik. Macht das, was er immer tut. Er begründet seine Entscheidung und lässt sich von den Anfeindungen nicht aus der Ruhe bringen. Geld, so werfen es ihm viele Dortmunder vor, sei der Antrieb. Familie, so erklärt Hummels aber, ist der wahre Grund. Geburtstage mit der Familie feiern, den engsten Freundeskreis regelmäßig sehen. Er will wieder ein Teil von der Gemeinschaft sein, die ihn zu Beginn seiner Karriere unterstützt und begleitet hat. Will wieder zu den Menschen gehören, die ihn stark gemacht haben. Die der Grund dafür sind, dass er die straighte und ehrliche Führungspersönlichkeit stets in sich getragen hat. Zuhause, das ist für Hummels dort, wo Familie ist.

Vorbild, vor allem neben dem Platz

 

Der Fußballprofi Mats Hummels ist sich seiner Vorbildsfunktion nicht nur bewusst, er lebt diese Rolle auch mit Authentizität. Natürlich ist er als Weltmeister in den sozialen Netzwerken Zuhause. Aber er macht eines anders, als viele seiner berühmten Kollegen. Fotos von Luxusautos oder teuren Yachtpartys sucht man bei ihm vergebens. Mats Hummels lebt, abgesehen vom unbestritten Gehalt, wie Du und Ich. Seit Jahren im millionenschweren Fußballgeschäft unterwegs, wandert das meiste Geld auf ein Sparkonto, nur in Immobilien investiert der Innenverteidiger. Smart, clever und charakterstark. Auf wie neben dem Platz. Ein Prozent seines Gehalts wandert zur Organisation „Common Goal“. Einer Stiftung, die Fußballer dazu bewegen möchte, ein Prozent zu spenden, um weltweit zu helfen. Streetfootballworld ist Nutznießer dieser Initiative. Fußball soll helfen, die Welt zu verbessern. Mats Hummels ist einer von Wenigen, die der noch jungen Bewegung folgen. Ein Projekt, das er verkörpert und vorlebt. Auch als Unicef-Botschafter ist er seit Jahren unterwegs und setzt sich für die Bildungsförderung ein. Aber er trägt sein Engagement nicht in die Welt hinaus. Er hilft, ohne dafür gelobt werden zu wollen. Er hilft, ohne groß darüber zu sprechen. Ehrgeiz, Disziplin und das Streben nach dem maximalen Erfolg zeichnen den Spieler Mats Hummels aus. Gleichermaßen aber auch Gradlinigkeit, Persönlichkeit und Fairness. Viele seiner Kollegen sind Styling-Vorbilder, Social-Media-Stars oder Kultfiguren. Nicht selten sind Fußballspieler bereits zu waschechten Marken geworden. Nicht das, was Mats Hummels will. Mats Hummels ist Fußballer. Ist ein Mensch, der sich treu bleibt. Ist eine Persönlichkeit, die stark ist.

Intelligenter Spieler, weitsichtiger Mensch. © Imago

Und Mats Hummels ist Weltmeister. Einer der besten Verteidiger, die es gibt. Aber das will er auch bleiben. Und das erfordert eine Kombination seiner Charaktereigenschaften. Die Gradlinigkeit aus dem täglichen Leben bringt er zusammen mit dem sportlichen Ehrgeiz auf den Rasen. Nichts ärgert ihn mehr, als eigene Fehler. Er erwartet fehlerlose Spiele und nimmt den Fußballer Hummels selbst in die Kritik. Auch in Russland strebt er nach dem perfekten Verteidigen. Für sich, seine Mannschaft, seine Fans, seine alten Freunde und natürlich seine Familie. Den großen Traum, mit Bruder Jonas Titel zu gewinnen, mussten beide begraben. Auf dem Feld werden sich beide nicht in den Armen liegen, um große Siege miteinander zu feiern. Jonas aber weiß: Wenn Mats den Traum verwirklicht und den WM-Titel verteidigt, ist er mit dabei. Nicht auf dem Feld, aber im Herzen. Denn das Leben außerhalb des Fußballplatzes zählt mehr, als jede Minute ohne Gegentor. Das ist keine Floskel, das ist Mats Hummels.

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Kometenhafter Aufstieg

By Allgemein, Kometenhafter Aufstieg, WM-HeldenNo Comments

Ein kleiner Junge und seine Freunde hatten einen Traum: Sie wollten Fußball spielen. Jeden Tag, jede freie Minute, so oft wie möglich. Sie wollten sich wie die großen Stars fühlen und bauten sich ihr eigenes kleines Stadion. Die Siebenjährigen eiferten den großen Legenden nach. Zidane und Schweinsteiger, wie es auf den Trikots stand, spielten in den Köpfen der Kinder immer mit. So wollten sie auch sein. Fußball sollte ihr Leben bestimmen, das wollten sie ein Leben lang machen. Aber nicht auf ihrem selbstgebauten Fußballplatz, nein. Sie wollten bis ganz nach oben. In die großen Stadien dieser Welt. Die Fans sollten ihnen zujubeln. Sie sollten Trikots tragen. Nicht mit Zidane oder Schweinsteiger auf dem Rücken, sondern mit ihren eigenen Namen.

Die Kinder träumten alle davon: Sie wollten Fußballprofi werden. So, wie es sich fast jeder siebenjährige Junge wünscht. Für einen der Freunde ging dieser Traum einige Jahre später in Erfüllung. Er hat es geschafft. Er darf auflaufen in Europas schönsten Stadien. Ihn verehren kleine und große Fans, sie tragen seinen Namen auf ihrem Trikot.
Joshua Kimmich ist innerhalb kürzester Zeit zu einem der unentbehrlichsten deutschen Fußballer geworden.
„Believe in yourself“. Dieses Motto begleitet ihn schon ein Leben lang. Als er in der Nähe von Stuttgart aufwächst, lebt er das typische Leben eines siebenjährigen Kindes. Raus auf den Fußballplatz, jeden Tag! Es dauerte nicht lange, bis sich das Talent herumgesprochen hatte. Joshua Kimmich geht den klassischen Weg der Fußballausbildung, als der VfB Stuttgart sich das Juwel 2007 angelt. Mit zwölf Jahren beginnt nun also der Weg zum Profi. Ein steinerner, das wusste der Teenager. Viele Spieler schaffen es nicht vom Jugendspieler zum Profil.
„Believe in yourself“. Nur so, wusste der Zwölfjährige, kann er es schaffen.

Der Durchmarsch von der Jugend bis hin zum Stammspieler in der A-Mannschaft, das war das, was sich alle Nachwuchskicker des VfB wünschten. Auch Joshua Kimmich. Mit 18 aber liegen auf dem sonst so freien Weg plötzlich Steine. Stuttgart entschied: Du bist nicht gut genug, die körperliche Konstitution reicht nicht. Er durfte nicht zur zweiten Mannschaft und wusste: Das ist nicht das, wonach ich strebe. Ich will mehr. Und auch Ralf Rangnick wollte mehr. Er wollte Kimmich zu RB Leipzig holen. Im Sommer 2013 also ging es für den gerade volljährig gewordenen Jungstar nach Sachsen. Allein. Raus aus der Komfortzone, weit weg von Freunden und Familie. Kein leichter Schritt, aber er wusste: „Believe in yourself“.

Mit 18 Jahren wechselt Kimmich zu RB Leipzig.

Der Traum vom Profi beginnt in Leipzig. © Imago

Vom Teenager zum Weltstar in nur vier Jahren

 

Heute, nur fünf Jahre später, wird Kimmich in einem Satz mit Marcelo, Dani Alves oder Philipp Lahm genannt. Ist 55 Millionen Euro wert und damit der fünft teuerste Feldspieler der DFB-Elf. Ist dreimaliger Deutscher Meister mit einer absoluten Stammplatzgarantie. Sowohl beim FC Bayern als auch im Nationalteam ist Kimmich gesetzt, ein Spieler seiner Klasse ist nur schwer zu finden. Worauf basiert sein Erfolg? Mit 23 Jahren ruft Kimmich konstant gute Leistungen ab. Spielt, als wäre er schon jahrelang im Kreis der Arrivierten dabei. Nicht viele Spieler in seinem Alter strahlen seine Souveränität aus. Seine absolute Siegermentalität hat er bereits als Kind verinnerlicht: Er kann absolut nicht verlieren. Duelliert er sich mit Freunden in anderen Sportarten, braucht er immer einen Wettkampfcharakter. Wo wäre er bei dieser Denkweise besser aufgehoben, als beim FC Bayern?

Nach seinem Wechsel zu RB Leipzig steigt Kimmich gleich im ersten Jahr auf. Die zweite Mannschaft des VfB, zu der er nicht durfte, spielte in der dritten Liga, er selbst darf 2014 eine Klasse höher antreten. Nach der Rückrunde bekommt Kimmich einen Anruf. Sein Berater will ihm von einem Angebot erzählen. Einem Angebot des FC Bayern München, dort, wo Pep Guardiola Trainer ist und Kimmich unbedingt verpflichten möchte. Zu schlecht für die zweite Mannschaft des VfB, ein Jahr dritte und ein halbes Jahr zweite Liga. Und dann ruft der FC Bayern an? Ja, dann rief der FC Bayern an. Wenig später sitzt Joshua Kimmich mit Pep zusammen. Ein Szenario, dass sich der damals 19-Jährige nicht im Traum ausgemalt hatte. Damals mit sieben Jahren auf dem Bolzplatz vielleicht, aber nicht jetzt, kurz nach dem Start seiner Profikarriere. Mit 20 Jahren kommt er an beim deutschen Rekordmeister. Spielt mit Weltmeistern und Champions League Siegern zusammen. Darf von Spielern wie Xabi Alonso, Manuel Neuer, Thomas Müller oder Arjen Robben lernen. Und das alles unter Pep Guardiola, einem der besten Trainer der Welt. Als Mittelfeldspieler ist es beim FC Bayern nicht immer einfach, die Konkurrenz ist immens. Zum Zug kommen viele junge Spieler erst, wenn sich die Stammkräfte verletzen. Auch bei den Bayern passierte das. In der entscheidenden Phase der Saison fallen Leistungsträger verletzt aus, sodass Kimmich aushelfen muss. Der Unterschied: Kimmich ist plötzlich Innenverteidiger. Mit 1,76m und 72kg sollte er das Abwehrzentrum schützen. Etwas, das er vorher noch nie gemacht hat. Im Gegenteil, in jungen Jahren schoss er die Tore anstatt sie zu verhindern. Aber Pep macht etwas. Pep vertraut Joshua. Pep vertraut ihm so sehr, dass er über sich hinauswachsen kann und die ungewohnte Position mit Bravour bekleidet. Believe in yourself. Und Kimmich glaubt an sich. In der Champions League muss er gegen Morata, Mandzukic und Cuadrado bestehen. Und er besteht glänzend. Im Pokalfinale gegen Dortmund kann Pep Guardiola auf zwei gelernte, wieder genesene Innenverteidiger zurückgreifen, aber er macht es nicht. Er vertraut wieder auf Kimmich. Und wieder zahlt sich das Vertrauen aus. Im Elferschießen vergibt er und lernt daraus, deutscher Pokalsieger mit den Bayern wird er trotz seines vergebenen Elfers. Nach dem Sieg im DFB-Pokal darf er mit zur Europameisterschaft. Nach nur einem einzigen Einsatz zuvor steht er ab dem dritten Gruppenspiel auf dem Rasen und überzeugt als Rechtsverteidiger. Im Viertelfinale gegen Italien wartet dann wohl die größte Prüfung seiner noch jungen Karriere auf ihn. Gegen den Angstgegner geht es ins Elfmeterschießen, nach den ersten fünf Schützen steht es Unentschieden. Der Druck, der an diesem Abend auf den deutschen Spielern liegt, ist groß. Die Italiener kommen zuerst, Jogis Jungs müssen immer nachziehen. Und dann ist Kimmich an der Reihe, der weiß: Verschieße ich wie gegen Dortmund, sind wir raus. Dann haben wir wieder einmal gegen Italien verloren, und ich als Fehlschütze bleibe in Erinnerung. Believe in yourself. Und hau ihn einfach rein. Und er macht genau das. Steht Gianluigi Buffon, einem der besten Torhüter aller Zeiten, gegenüber, und haut ihn einfach rein. Die DFB-Elf gewinnt am Ende und der Italienfluch war besiegt.

 

Kimmich eilt im Verein von Erfolg zu Erfolg und glänzt auch im Nationalteam.

Double mit dem FC Bayern, EM 2016. Eine beeindruckende Saison. © Imago

Niederlagen tun weh, aber sie bringen dich weiter

 

Gewinnt das Halbfinale, nicht aber das Turnier. Eine Niederlage, die Kimmich weh tut, denn verlieren ist immer gleich schlimm. Verlieren lernen wird er nie, mit dem Verlieren umgehen aber lernt er beim FC Bayern. Pep Guardiola, für den er wie ein Sohn war, verlässt die Bayern im Sommer 2016. Kimmich bekommt mit Carlo Ancelotti einen neuen Trainer, einen nicht minder erfolgreichen. Die Saison fängt gut an für ihn, wie in Kindertagen schießt er plötzlich auch Tore wie am Fließband. Irgendwann aber werden seine Einsätze weniger, er ist ein Mittelfeldspieler unter vielen. In den wichtigen Champions League Spielen gegen Real Madrid ist er nicht gefragt. Dann verlässt beim FC Bayern eine Klublegende die Bühne. Philipp Lahm beendet seine Karriere und sein Platz als rechter Verteidiger wird frei. Kimmich kann Rechtsverteidiger, nicht erst seit der EM. Und Kimmich wird der neue Rechtsverteidiger. Obwohl es unter Carlo Ancelotti zu Beginn der Saison so gar nicht läuft, macht er seinen Job gut. Als Jupp Heynckes übernimmt, macht er seinen Job besser. Kimmich steigert sich von Spiel zu Spiel und gilt mittlerweile als einer der besten Außenverteidiger der Welt. Und das, obwohl er eigentlich Sechser ist. Seine persönliche Leistung ist ihm wichtig, Titel mit der Mannschaft aber sind wichtiger. Niederlagen tun ihm dann am meisten weh, wenn sie das ganz große Ziel kurz vor dem Erreichen zerstören. Er trifft gleich zweimal gegen Real im Champions League Halbfinale, ist mit dem FC Bayern das engagiertere Team. Trotzdem scheitern sie zusammen. Kimmich weint. Auch das Pokalfinale verliert er. Und wieder weint Kimmich. Verlieren, das wird er nie können. Das will er nie können, denn der Antrieb, der ihn zu Siegen treiben soll, wird immer größer sein. Schon als Kind wollte er als Gewinner den Platz verlassen, und das in jedem einzelnen Spiel. So wie seine Vorbilder Bastian Schweinsteiger und Thomas Rosicky.

Kimmich hat an Niederlagen zu knabbern.

Verlieren lernen. © Imago

Diesen Siegeswillen braucht er auch jetzt, wo er seine erste WM spielt. Nach den Enttäuschungen der verlorenen KO-Spiele strebt er nun erst recht nach einer Wiedergutmachung. Als dreifacher Meister mit 23 Jahren Stammspieler bei der WM sein? Davon werden alle Siebenjährigen in seiner Heimatstadt Bösingen heute träumen. So, wie er damals davon geträumt hat. Er wollte, dass Zehntausende im Stadion seinen Namen schreien und hat sich vorgestellt, wie die Menschen mit seinen Trikots auf der Tribüne stehen. Er hat genau das erreicht. Und kann jetzt auch noch Weltmeister werden. Es ist ein langer Weg bis ins Finale nach Moskau, es wird gegen die Besten der Welt gehen. Aber Kimmich weiß: Wenn alle an sich glauben, wird der Traum wahr. Believe in yourself. Und dann werden Hunderttausende Menschen den Titel feiern, viele davon mit seinem Namen auf dem Rücken.

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Stilsicher

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Mitten in Berlin treffen sich Ende der 90er Jahre zwei Brüder, um zusammen Fußball zu spielen. Die beiden wachsen in unterschiedlichen Familien auf, obwohl sie fast gleich alt sind. Der Ältere ist damals 12, der andere 10. Und der Ältere kann was, das der Jüngere nicht kann: Er ist beidfüßig. Schießt mit links genauso gut, wie mit rechts. Traurig fährt der 10-Jährige zurück nach Hause. Drei Monate später treffen sich die Brüder wieder, spielen wie damals gemeinsam auf dem Fußballplatz. Doch eines ist anders: Der Jüngere schießt plötzlich mit links genauso gut, wie mit rechts.

Die beiden Brüder auf dem Berliner Fußballplatz heißen Kevin-Prince und Jerome Boateng. Und Jerome, so erzählt Prince, habe in jungen Jahren schon gewusst: Wer nicht an seinen Schwächen arbeitet, wird nichts Großes erreichen. Andere 10-Jährige wären wütend geworden, wenn der große Bruder mehr kann. Hätten geweint oder sich gestritten. Nicht aber Jerome. Jerome blieb ruhig, machte die Schmach nur mit sich selbst aus und trainierte wie verrückt, um diese Schwäche abzustellen. Diese Eigenschaft hat er sich bis heute behalten. Boateng redet wenig über Rückschläge, lieber arbeitet er an sich, um gemachte Fehler nicht zu wiederholen.
Der Fußballer Boateng hat fast alles gewonnen. Viel mehr, als er es sich nach dem Training des linken Fußes damals hätte ausmalen konnte. Drei Jahre nach der erlernten Beidfüßigkeit geht es für Jerome zur Berliner Hertha. Kurz vor seinem 19. Geburtstag verlässt er seine Geburtsstadt, um sich beim HSV in der Bundesliga etablieren zu können. Die Fußballwelt merkt schnell: Hier wächst ein großes Talent heran. Nach drei Jahren in Hamburg wagt er den Schritt auf die Insel zu Manchester City. Glück bringt ihm dieser Wechsel aber nicht, trotz des Pokalsieges zieht es ihn zurück nach Deutschland. Nicht irgendwo hin, sondern zum Rekordmeister nach München. Und hier in München schlägt er auf Anhieb ein, schafft es direkt zum Stammspieler.

Niederlagen machen ihn stark für die grossen Siege

Sein erstes Jahr beim FC Bayern nimmt eine grausame Endung. Boateng muss miterleben, wie er mit seinen Teamkollegen in allen Wettbewerben zweiter wird. Oder anders gesagt: Er verliert sowohl das Finale im Pokal als auch das in der Champions League. Er verliert das Endspiel um die Königsklasse nicht irgendwo oder irgendwie. Er verliert es auf dramatische Art und Weise im eigenen Stadion vor euphorischen Fans. Boateng spielt eine herausragende Partie an diesem Abend im Mai 2012, wie alle seine Mitspieler auch. Mit einer 1:0 Führung geht es in die letzten beiden Minuten, alles ist angerichtet für ein großes Freudenfest. Doch dann kommt die 88. Minute. Die 88. Minute, in der Boateng vergisst, bei einer gegnerischen Ecke den Stürmer zu decken. Das 1:1 ist der Startschuss für einen traurigen Restabend. Boateng verliert das Finale mit den Bayern und liegt danach am Boden. Mit der größten sportlichen Enttäuschung der Karriere muss er im Anschluss zur EM 2012. Auch hier folgt eine Niederlage kurz vor dem großen Ziel.
Boateng ergeht es so, wie damals, als er erst 10 Jahre alt war: Jemand anderes ist besser als er. Und Boateng wäre nicht Boateng, würde er nicht zurückdenken, sich wieder aufrichten und arbeiten. Arbeiten an den eigenen Schwächen und am lange ersehnten internationalen Titeltraum.

Für Jerome Boateng gingen die Finals nicht ohne Grund verloren. Der Glaube, dass Gott einen festen Plan für jeden vorgesehen hat, gibt ihm Halt und lässt ihn Rückschläge besser verkraften. So auch im Sommer 2012. Boateng steht wieder auf. Weiß, welche Ziele er verfolgt. Und arbeitet hart an sich, um sie auch zu erreichen. 2012 befindet er sich mit den Bayern im Tal der Tränen, als alles verloren ging. Am 25. Mai 2013 steht er im Londoner Wembley Stadion auf dem Rasen und blickt dankbar gen Himmel. Dankbar und glücklich über den Abend, den er erleben durfte. An diesem Abend gewinnt er mit dem FC Bayern die Champions League, das größte, was es im Vereinsfußball zu gewinnen gibt. Sie waren aufgestanden und hatten an sich gearbeitet, wie der 10-jährige Jerome damals in Berlin. Keine Selbstverständlichkeit, dass man nach derart gravierenden sportlichen Rückschlägen noch stärker zurückkommt. Auf diesen Erfolg setzt Boateng noch einen drauf. 2014 wird er in Brasilien mit dem DFB-Team Weltmeister. Immer wieder war man hauchzart vor dem Titel gescheitert, diesmal war der große Tag gekommen. Das goldene Tor erzielte Mario Götze, Symbolfigur wurde der blutende Bastian Schweinsteiger. Stiller Held des Spiels aber war Jerome Boateng. Über 120 Minuten lang nahm er einen Spieler namens Lionel Messi aus dem Spiel und sorgte dafür, dass Argentinien zu kaum einer Chance kam. „It all started with a dream“, schrieb er am Abend vor dem Endspiel auf Instagram. Keine 24 Stunden später war aus dem Traum Realität geworden. Angekommen in der Glückseligkeit, Weltmeister. Nur ein Jahr nach dem Champions League Triumph feierte der Berliner den größten Titel, den es zu gewinnen gibt.

2013 gewinnt Boateng mit Bayern die Champions League.

Hinfallen erlaubt, liegen bleiben verboten. Boateng und Heynckes feiern den CL-Sieg 2013. © Imago

Stilsicheres Vorbild

 

Mit dem sportlichen Erfolg kam auch das andere Standbein Boatengs immer mehr auf. Jerome ist Trendsetter, Stilikone, Designer und Influencer. Eine hohe Social-Media-Präsenz ist auch seinen Kollegen nicht abzusprechen. Boateng aber ist eine Marke in der DFB-Elf, ein Vorbild für die Jugend. 2015 wählte ihn das Magazin „GQ“ zum stilvollsten Mann des Landes, aus seiner Leidenschaft für teure Klamotten macht er keinen Hehl. In erster Linie ist Boateng Fußballer, in zweiter Linie Entertainer. Sein Vermarktungspotenzial ist riesig, Rapper Jay Z hat ihn dafür sogar unter Vertrag genommen, als ersten Fußballer und Europäer.

Oftmals gilt er als Sunnyboy der Nationalelf. Als jemand, der auffallend viele Leidenschaften neben dem Profifußball hat. Style, ausgefallene Frisuren, Klamotten, Brillendesign, Boateng ist nicht in eine Schublade zu stecken. Er liebt das privilegierte Leben eines Stars, ohne über die Strenge zu schlagen oder sich stets im Luxus zu präsentieren. Dort, wo er vor knapp 20 Jahren den linken Fuß trainierte, ist er daheim. Seine Heimat und seine Familie sind Boateng heilig. So gern er seine Fans in seinen Alltag blicken lässt, so wenig äußert er sich auf Nachfrage zu seinem Privatleben. Der Medienprofi weiß, was er der Welt zeigt und was er lieber für sich behält. Der private Jerome Boateng ist dem fußballerischen Jerome Boateng überaus ähnlich. Er spricht nicht groß über Niederlagen und Rückschläge, sondern klärt mit sich selbst, wie er diese Fehler nicht noch einmal macht. Auf sportlicher Bühne kommt er nach Niederlagen noch stärker zurück, im Privatleben ist er sein eigenes Vorbild und hält an seiner Kämpfernatur fest. Seine Zwillingstöchter sind sein ganzer Stolz, mit ihnen und seiner Verlobten Shirin leben mittlerweile alle zusammen in München.

In der Stadt, in der er als Talent den Durchbruch zum Weltstar schaffte. Dort, wo Boateng keine leichten Jahre seit dem WM-Titel erlebt hat. Langwierige Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück, Kritik wurde laut, ob er jemals wieder zu alter Form zurückfinden würde. Zur WM-Form. Als er der beste Verteidiger der Welt war. Boateng realisierte: Der 10-jährige Junge von damals weiß, was zu tun ist. Kämpfen, an seinen Schwächen arbeiten, seine Stärken weiter trainieren und allen zeigen, was in einem steckt. Und der heute 29-jährige Jerome tag genau das. Er kam zurück und war auf gutem Weg, wieder der alte zu werden. Kurz vor der WM konnte ihm aber auch der in der Kindheit erlernte Ehrgeiz nicht vor einer weiteren Verletzung bewahren. Wieder musste er eine schmerzhafte Niederlage in der Champions League hinnehmen, wie schon 2012. Aber mittlerweile weiß er: Nach jedem Rückschlag wartet die Arbeit. Ist die Arbeit getan, wartet etwas anderes: Die Belohnung. Die Arbeit hat Boateng getan, für die Belohnung sind er und das DFB-Team jetzt bereit.
Das, was er damals auf dem Bolzplatz erlebt hat, begleitete ihn ein Leben lang. Sein Bruder Prince war vor 20 Jahren bereits beeindruckt vom Charakter seines Bruders. Mit der Ausnahme von Brasilien 1962 konnte kein Weltmeister den Titel verteidigen. Wenn Jerome Boateng in Moskau erneut den goldenen Pokal in die Höhe reckt und mit seinen Töchtern wie schon 2014 den Triumph genießt, werden beide Brüder an den Kindheitsmoment zurückdenken und wissen: Es gibt nichts, was man nicht schaffen kann.

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